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Schweinischer Einsatz in München

Schweinischer Einsatz in München
Auf seiner schwarzgrauen Haut zeigten sich am ganzen Körper rötliche Stellen. Der Ausschlag stellte sich als zwar unangenehm, aber nicht bedrohlich heraus, die Körpertemperatur war normal. Foto: © aktion tier Tierrettung München e.V.
Rettungseinsätze –

Zu einem für uns doch ungewöhnlicheren Patienten wurde wir diesen Sommer gerufen: zu Minischwein „Schucki“. Schucki hatte ausgerechnet am Wochenende einen stark juckenden Hautausschlag entwickelt.

Von Dr. Birgit Schwarzmann und Mario Beck. Da er zudem deutlich schlapper und, was bei einem nimmersatten Allesfresser wie einem Schwein nur selten vorkommt, auch appetitlos war, machte sich Herrchen nun doch Sorgen. Einen Tierarzt in München zu finden, der Schweine behandelt, ist nicht so leicht. Kleintierpraktiker sehen Schweine, so klein sie auch sind, als Nutztier, und dies gilt in der Regel auch für die Kliniken. Das spezialisierte Institut für Schweinekrankheiten kommt aus seuchenhygienischen Gründen für ein Hobbyschwein nicht in Frage, denn dort erfolgt meist nur eine Bestandsdiagnostik bei der die am deutlichsten erkrankten Tiere erst klinisch, dann aber auch pathologisch untersucht werden, um ein Krankheitsgeschehen in einem Bestand aus vielen Tieren aufzuklären. Um eine Verteilung potentiell für andere Schweine hochgefährlicher Erreger zu verhindern, verlässt keines dieser Schweine das Institut lebend. Also läutete unser Telefon, und am anderen Ende erklang die verzweifelte Frage: „Könnten Sie auch einem Schwein helfen und würden Sie auch wegen eines Minipigs kommen?“ Doch, natürlich würden wir und taten wir dann auch. Schucki erwartete uns schon am vorschriftsmäßig gesicherten Gartentor und war schon ganz aufgeregt. Auf seiner schwarzgrauen Haut zeigten sich am ganzen Körper rötliche Stellen. Der Ausschlag stellte sich als zwar unangenehm, aber nicht bedrohlich heraus, die Körpertemperatur war normal. Wir vermuteten eine harmlose Staphylokokken-Infektion. Der Besitzer war beruhigt, hatte er doch befürchtet Schucki hätte Rotlauf, eine hochinfektiöse Erkrankung. Bei dieser Krankheit bekommen die Tiere, bei denen die Haut betroffen ist aber auch immer hohes Fieber. Viele Schweine sterben aber auch, bevor sich die Haut deutlich verändert oder bekommen starke Gelenksentzündungen. Mit einer Injektion in die Halsmuskulatur, was Schucki nur unter lautem Protest über sich ergehen lies, hatte der Kleine es für diesen Tag überstanden. Die zur Belohnung angebotenen frischen Salatblätter nahm er dann doch ganz gerne an.

Bei der telefonischen Rücksprache am nächsten Tag hatte der Juckreiz sich schon gebessert, neue Stellen waren auch nicht hinzugekommen. Wenn seine Haut wieder tadellos aussieht, wird Schucki mit seinem Herrchen auch wieder gerne eine Runde um den Block laufen, auch wenn dies dank aller Passanten, die sich so ein Schweinchen in der Stadt dann doch mal genauer anschauen müssen und dabei seinem Scharm erliegen, ganz schön lange dauern kann ...

Minischweine

In den 1960er-Jahren wurden Minischweine (Mini Pigs) an der Universität Göttingen gezüchtet, um kleine Laborschweine zu haben, die in der Haltung unkompliziert und dem Gewicht des Menschen angepasst waren. Alle Minischweinrassen haben Hängebauch- und/ oder Wildschweinblut in ihren Adern. Ein Gewicht von 30-60 kg ist normaler Durchschnitt. Jedoch sind auch Minischweine mit 100 kg und mehr keine Seltenheit, weil aufgrund der erst kurzen Zuchtgeschichte das Erbe der großen Ahnen immer wieder durchschlägt. Obwohl es sich um eine Spezialzüchtung handelt und die Tiere außerhalb der wissenschaftlichen Haltung ausschließlich als Hobbytiere gehalten werden, gelten sie dennoch als landwirtschaftliche Nutztiere und unterliegen der entsprechenden gesetzlichen Regelung.

Das beinhaltet entsprechende Vorschriften: 

♦  Meldung bei behördlichen Institutionen, 

♦  Einzäunung des Geländes – es muss ein doppelter Zaun vorhanden sein, um Kontakt zu wildlebenden Artgenossen zu verhindern, zudem benötigt man ein Schild mit dem Hinweis: Schweinebetrieb – Betreten für Unbefugte verboten 

♦  Fütterung: Fleisch und Küchenreste sind als potentielle Seuchenüberträger als Futter gesetzlich verboten, 

♦ sowie staatlich angeordneten Keulungen im Seuchenfall! D.h. beim Auftreten der Schweinepest, Maul- und Klauenseuche oder ähnlicher anzeigepflichtiger Erkrankungen im entsprechenden Umkreis würden ungeachtet der Haltung als Haustier im Familienverband auch alle Minischweine getötet werden

Zusätzlich zu diesen oben genannten Vorschriften unterliegen sie auch in Bezug auf die medizinische Behandlung den rechtlichen Vorschriften der Nutztierhaltung. Das heißt, sie gelten als lebensmittelliefernde Tiere. Dies bedeutet, dass nur ein geringer Teil der auf dem Markt erhältlichen Medikamente überhaupt verabreicht werden darf und über jedes angewandte Medikament genau Buch zu führen ist. Der Tierarzt muss bei jeder Behandlung einen Beleg ausfüllen auf dem die Wartezeit in Tagen bis zu einer möglichen Schlachtung angegeben ist, der Besitzer muss ein sogenanntes Stallbuch führen, in dem jede Behandlung, auch die von ihm selbst durchgeführten, eingetragen werden müssen. Die Möglichkeit, diese Vorschriften zu umgehen, wie es bei Pferden durch den sogenannten Equidenpass – in dem der Besitzer verbindlich versichert, dass Pferd nie zu schlachten – möglich ist, gibt es für andere Nutztiere nicht. Damit kann es passieren, dass einem erkrankten Minischwein nur bedingt geholfen werden kann, weil ein Medikament, dass es benötigt, nicht für ein Nutztier zugelassen ist und deshalb einer weniger effektives verwendet werden muss.

Zu beachten ist überdies, dass eine Einzelhaltung nach der Schweinehaltungsverordnung nicht erlaubt ist. Dies stellt im Hobbybereich aber meist die Regel dar. Minischweine sind – wie alle Schweine – soziale Tiere und brauchen Kontakt zu Artgenossen. Ihre wildlebenden Artverwandten, die Wildschweine, leben in familiären Gruppen, den sogenannten Wildschweinrotten, in denen eine feste Rangordnung herrscht. Bei der Haustierhaltung ist deshalb vergleichbar mit der Hundehaltung darauf zu achten, den Schweinen zu zeigen, dass man sozusagen der Rangerste, also der Rottenführer ist. Grundsätzlich ist keine reine Wohnungshaltung möglich. Das Minischwein hat ähnliche Bedürfnisse wie ein normales, großes Schwein. Sie wünschen sich einen großen Auslauf mit Gras als Weide und ein Schlammloch als Suhle zur Hautpflege, eine trockene Stallung im Außenbereich mit Stroheinstreu, auch zur Beschäftigung. Ein Minischwein ist mit Sicherheit ein sehr intelligenter Begleiter, aufgrund seiner natürlichen Reinlichkeit auch ein guter Wohnungsgenosse, doch sollte man sich im Vorfeld darber klar sein, dass sich die Haltung eines Minischweins wesentlich schwieriger gestalten kann als die eines anderen Haustieres.