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Eine seltene und oft vergessene Erkrankung Botulismus beim Hund

Die beschriebene Hündin auf der Intensivstation der Medizinischen Kleintierklinik der LMU. Foto: © aktion tier Tierrettung München e.V.

von: Patrick Wagmeister

Ratgeber Tiermedizin –

Während einer meiner Nachtdienste im August klingelt um 2 Uhr das Notdiensthandy. Am anderen Ende der Leitung war eine sichtlich aufgeregte Frau, die mir berichtete, dass ihr Hund plötzlich zusammengebrochen sei, die Vorderbeine unkoordiniert bewege und im Garten läge.

Ich machte mich unverzüglich auf den Weg und rechnete mit einem akuten Bandscheibenvorfall, Schwäche o.ä.. Bei meiner Ankunft nach ca. 20 Minuten bot sich mir das bereits beschriebene Bild. Auf mein Nachfragen stellte sich heraus, dass die Hündin 3 Jahre alt war, aus Spanien gerettet, am Nachmittag noch fröhlich getollt hatte, dabei weder ein Trauma oder sonstiges aufgefallen sei, abends noch normal gefressen hatte und um 2 Uhr Nachts plötzlich nach draußen wollte. Dabei sei die Hündin hinten eingeknickt und hatte sich, unter Zuhilfenahme der zu der Zeit noch funktionierenden Vorderläufe, ins Freie gerobbt.

Als erstes fiel eine schlaffe Lähmung der hinteren Extremitäten auf, die sich mittlerweile auch auf die Vorderextremitäten ausgebrei tet hatte. Bei der Hündin wurde eine allgemeine Untersuchung durchgeführt: Sie zeigte leichte Schocksymptome, war von mittelgradig re duziertem Allgemeinbefinden, hatte eine erhöhte Herzfrequenz und gerötete Schleimhäute. Ihr wurde ein Venenzugang gelegt und eine Schockinfusion verabreicht. Nun konnte ich mich auf die Lähmungserscheinungen konzentrieren. Bei der neurologischen Untersuchung fiel mir auf, dass die Hündin zwar willkürliche Motorik hatte, aber nicht geh- und stehfähig war und deutliche neurologische Ausfallserscheinungen aufwies. Die kurze Untersuchung der Kopfnerven ergab eine fehlende Drohreaktion, einen fehlenden Lidreflex und die Nasenscheidewandreaktion war beiderseits nur auf starken Reiz auslösbar. Auch fiel auf, dass die Hündin nicht blinzeln konnte bzw. mit dem dritten Augenlid blinzelte. Die Vorderextremität zeigte noch Reflexe, an der Hinterextremität waren bis auf den Flexorreflex keine Reflexe mehr auszulösen. Die Untersuchung der Wirbelsäule war ohne Befund. Da durch das akute Auftreten und die fortschreitende Lähmung eine Vergiftung oder akute fortschreitende Erkrankung der peripheren Nerven als Differentialdiagnosen an oberster Stelle stand, machte ich mich mit Hündin und Besitzerin unverzüglich auf den Weg in die Medizinische Kleintierklinik der LMU.

Bei der erfolgten großen Blutuntersuchung an der Klinik waren keine dramatisch veränderten Werte festzustellen, jedoch verschlechterte sich die neurologische Situation zusehends. Da befreundete Ärzte Dienst hatten, haben wir, nach erfolgter weiterer Versorgung, noch ausgiebig über mögliche Ursachen diskutiert. Als Hauptdifferentialdiagnosen kamen nicht viele Krankheiten in Frage: Botulismus, Myastenia gravis, Polyradikuloneuritis, Borreliose. Letztere passen nicht so gut in das progressiv fortschreitende Krankheitsbild wie Botulismus. Da die Lähmung fortschreitend war und man sich Sorgen um die Lähmung der Atemmuskulatur machen musste, wurde der Hund 24 h intensiv per Monitor beobachtet. Als dieser Artikel verfasst wurde, war die Hündin noch immer auf der Intensivstation, musste aufgrund einer möglichen Beeinträchtigung des Schluckvorganges (Schluckreflex, bzw. Lähmung der Speiseröhrenmuskulatur), künstlich er nährt und immer noch engmaschig, bezüglich ihrer Atmung, überwacht werden. Die Verdachtsdiagnose Botulismus ist durch eine aufwändige Laboruntersuchung zu bestätigen und war zu dem Zeitpunkt noch nicht abgeschlossen. Die Hündin ist bis auf weiteres stabil, macht täglich kleine Fortschritte, und es bleibt zu hoffen, dass die Hündin zeitnah vollständig genesen wird.