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Blutwurst oder Banane? Was fressen Fledermäuse?

Foto: Huskyherz Lizenz: CC0 1.0 Universell CC0 1.0

von: Margarete Kistler

Ratgeber Wildtiere –

Seit mehreren Millionen Jahren gibt es sie – um genauer zu sein – bereits vor 50 Millionen Jahren flogen die Fledermäuse am nächtlichen Himmel umher. Seit dieser langen Zeit haben sie ihr Aussehen und ihre Jagdstrategien kaum verändert.

Wegen ihrer nächtlichen und tagsüber sehr heimlichen Lebensweise sind sie für viele Mitmenschen nach wie vor unbekannte Geschöpfe, die kaum jemand aus der Nähe gesehen hat. So ist es auch erklärlich, dass die Menschen einer gefundenen Fledermaus oft recht hilflos gegenüber stehen und sich vor ihr fürchten oder gar ekeln.

Der Arbeitskreis Fledermäuse (Landesbund für Vogelschutz) bemüht sich seit nunmehr zehn Jahren um diese heimischen Wildtiere in der Stadt und im Landkreis München. Mit Führungen, Schulbesuchen und Fortbildungen versuchen wir Aufklärungsarbeit zu leisten. Ein wichtiger Kontakt ist die Annahme von Fledermausfindlingen. 

Oft erfolgt ein Anruf mit zögerlicher Anfrage: „Sie kümmern sich um Fledermäuse?“ Nach der positiven Antwort ist nun der erst Schritt zu erfragen wo die Fledermaus ist, denn es erfolgen Anrufe aus ganz Deutschland, ja sogar aus anderen europäischen Ländern. Für die weiter entfernten Hilfesuchenden ist nur eine telefonische Beratung möglich oder der Versuch an für das Gebiet zuständige andere Fledermausfachleute weiter zu vermitteln. Für die Anrufer, die in einer zumutbaren Entfernung von mir wohnen, gibt es die unterschiedlichsten Empfehlungen, die aufzuführen den Rahmen des kleinen Berichtes sprengen würde. So möchte ich nur ein paar Telefonate herausgreifen:

Fledermaus = fliegende Maus?

Der Anruf einer Polizeidienststelle aus dem Landkreis Wolfratshausen erreichte mich in Freising. Bei ihnen sei eine Fledermaus abgegeben worden und ich möchte sie bitte holen! Also quer durch die Stadt. Endlich auf der Polizeiwache angekommen, übergab man mir ein kleines Schächtelchen 10 x 7 x 5 cm das zu zwei Drittel mit Erde gefüllt war! Darauf lag das Tierchen und konnte sich kaum bewegen. Fledermaus – für den Finder gehörte das Tier zu den Mäusen und sollte sich in der Erde wohl verstecken können. Fledermäuse sind die einzigen aktiv fliegenden Säugetiere, sie bilden die eigene Ordnung der Fledertiere (Chiroptera) und sind in Bayern mit ca. 23 Arten vertreten. Mit Mäusen (Nagetiere) sind sie nur ganz entfernt verwandt.

Überfall im Schlafzimmer – nicht wirklich gefährlich

Anruf einer aufgeregten jungen Frau aus der Au um ca. 22:00 Uhr: Bei ihr im Schlafzimmer fliegt ein Tier – vermutlich eine Fledermaus – umher und sie traut sich nicht mehr in das Zimmer. Ich fahre hin. In der kleinen Altbau-Dachwohnung im Rückgebäude schaue ich vorsichtig in den Schlafraum. Von einer Fledermaus keine Spur. Ich kann die junge Frau beruhigen. Unsere heimischen Fledermäuse sind völlig harmlos und werden nie Menschen anfallen oder einfach so beißen. Nur in Südamerika gibt es drei kleine Fledermausarten (Desmodontidae) die ausschließlich von Blut leben. Zusammen suchen wir weiter nach dem Tier. Hinter Schrank und Regal, in einer Zeichenmappe, hinter und am Sonnenrollo, in Kleidungsstücken, hinter und unter dem Bett. Nirgends auch nur eine Spur. Ich beginne zu zweifeln. Die Frau ist sich jedoch sicher, es ist eine Fledermaus geflogen und das Tier muss im Zimmer sein. Sie fährt morgen für drei Wochen in Urlaub und was wird dann aus dem Tier? Es ist 24:00 Uhr. Ich biete an, dass sie mich die ganze Nacht anrufen kann, wenn sich die Fledermaus noch einmal bemerkbar machen sollte. Ich bin überzeugt, sie hat sich geirrt und fahre heim. Um 3:00 Uhr morgens läutet das Telefon: Die Fledermaus fliegt wieder. Ich fahre hin, aber es ist kein Tier zu sehen. Wir sitzen im dunklen Schlafzimmer mit einem Fledermaus-Detektor. Es wird 4:30 Uhr – doch nichts rührt sich. Ich beschließe abzubrechen, schaue mich aber noch einmal genau um, fahre mit der Hand über die Leiste des Sonnenrollos unter der Decke und erspüre eine kleine Öffnung von 1 x 1 cm und dort ist sie: die Fledermaus! Immer wieder kommt es vor, dass Fledermäuse, meist Zwergfledermäuse, vor allem im Herbst in Wohnungen einfliegen, auf der Suche nach geeigneten Quartieren. Meist genügt es, das Licht zu löschen und das Fenster weit zu öffnen. Die Tierchen fliegen dann wieder hinaus. Werden die Fledermäuse nicht bemerkt, kann so ein Einflug aber auch zur Todesfalle werden.

Kinder, Kinder

Anruf aus Hailafing im Juni: Auf dem Balkon eines Hauses liegt eine kleine, nackte Fledermaus. Bei den mir bekannten Hausbesitzern war im Vorjahr ein Fledermausquartier festgestellt worden. Vermutlich war das Quartier wieder besetzt und das Tier stammte von dort. Ich bitte also die Leute, das Tierchen vorsichtig aufzunehmen, auf ein Tuch in eine Schachtel zu legen und diese gut und „katzensicher“ zu verschließen. Am Abend würden wir zusammen versuchen, das nur wenige Tage alte Jungtier der Mutter wieder anzubieten. Fledermausweibchen haben nur einmal im Jahr Nachwuchs. Ab Ende Mai schließen sie sich zu sogenannten Wochenstuben zusammen. Dort bringen sie ihre Jungen, meist „Einzelkinder“, bei einige Arten aber auch Zwillinge, zur Welt. Etwa Anfang August sind diese dann selbstständig, Mütter und Kinder fliegen ihre eigenen Wege. Aufgrund der geringen Nachwuchsrate ist es durchaus sinnvoll, sich um jedes einzelne Fledermausbaby zu bemühen. Es kommt nackt und blind zur Welt und wird in den ersten sechs bis acht Wochen von der Mutter gesäugt. Während die Mütter auf Insektenjagd sind, krabbeln die Babys im Quartier herum. Dann kann es auch passieren, dass ein Jungtier aus dem Quartier herausfällt. Die Mütter nehmen die herausgefallenen Kinder jedoch wieder auf, wenn man sie ihnen in der richtigen Weise anbietet. Nur wenn es unumgänglich ist, nehme ich Fledermausbabys um sie von Hand aufzuziehen. Der zeitliche Aufwand ist sehr groß und für die Lebensfähigkeit dieser Jungtiere nach dem Auswildern gibt es kaum Nachweise.

Blutwurst...

Herr M. ruft an und bittet mich um Hilfe. Seit zwei Tagen hat er eine Fledermaus bei sich, aber sie frisst nichts und fliegt auch nicht. Er würde mir das Tier gerne vorbei bringen. Als ich den mitgebrachten Karton öffne, entdecke ich neben einem Schälchen mit Wasser ein Tellerchen mit Blutwurststückchen. Das verängstigte Tier liegt mit nassem Bauch in der Ecke. Für Herrn M. ist die kleine Fledermaus ein Blutsauger, deshalb mag sie bestimmt die Blutwurst fressen.

... oder Banane?

Eine Mutter berichtet mir am Telefon, dass ihr Sohn eine Fledermaus gefunden hat und sie seit über 14 Tagen pflegt. Aber jetzt sei es genug und er solle das Tierchen wieder abgeben. Er habe sie hauptsächlich mit Bananen gefüttert. Bananen – das kann nicht sein, denke ich mir. Das Tier hat vermutlich nur aus Flüssigkeitsmangel an der Banane geleckt. Doch dem war nicht so. Zu meiner Überraschung stellte sich heraus, das die Fledermaus zu den in Mittel und Südamerika heimischen Brillenblattnasen (Carollia perspicillata) gehörte und der junge Mann aufgrund eines Besuchs im Tierpark Hellabrunn der Meinung war, Fledermäuse ernährten sich von Bananen, was in diesem Fall auch stimmte. Das geschwächte Tier hatte er im Westpark an einem Ast hängend gefunden. Wo kam es her? Nahe liegend war, dass es aus dem Tierpark entwischt war und dort fand es auch wieder Aufnahme.

Doch was fressen unsere heimischen Fledermäuse? Sie ernähren sich hauptsächlich von Insekten und Spinnentieren, gelegentlich auch z. B. von Tausendfüßlern. Die Babys bekommen zunächst ausschließlich Muttermilch. Für meine Pfleglinge gibt es „vitamingedopte“ Mehlwürmer und für die Jungtiere Katzenaufzuchtsmilch und später Mehlwurmbrei als Ersatznahrung. Diese Begebenheiten geben einen Einblick in meine Arbeit für die heimischen Fledermäuse, die aufgrund ihrer Gefährdung unter besonderem gesetzlichen Schutz auf Europa-, Bundes- und Landes- ebene stehen. 2007 kamen bis jetzt im Oktober ca. 100 Fledermäuse zur Untersuchung und Betreuung zu mir. Etwas mehr als die Hälfte konnte relativ schnell wieder in die Freiheit entlassen werden. Manche sind noch in Reha, ein Teil ist leider gestorben. Für die Ernährung all dieser Pfleglinge waren in diesem Jahr schon 20 kg Mehlwürmer nötig. Können Sie sich das schmatzen vorstellen?

Margarete Kistler, Preisträgerin des Bayrischen Tierschutzpreises 2007

Fledermäuse sind nachtaktiv, tagsüber leben sie in Verstecken. Es ist deshalb ungewöhnlich, eine Fledermaus bei Tag außerhalb ihres Quartiers zu finden. Ist es doch der Fall, dann tauchen viele Fragen auf: Ist sie lebendig oder tot, gesund oder krank, bei Kräften oder erschöpft, jung oder alt, verirrt? Wie soll ich mich verhalten?

Achtung: Fassen Sie eine Fledermaus immer nur mit Handschuhen oder einem sonstigen Schutz gegen Bisse an! Setzen Sie das Tierchen in ein Behältnis (Schachtel, Kiste usw.) und legen sie ein Tuch hinein. Verschließen Sie die Schachtel sehr gut, z. B. mit Klebe- oder Gummiband. Ein Zentimeter genügt den kleinen Arten zum Entkommen! Wenn Sie es sich zutrauen, können Sie dem Tier Wasser (Pipette, Teelöffel) anbieten.

Benachrichtigen Sie eine Fledermaus-Fachfrau:
Für Stadt und Landkreis München:

Margarete Kistler:
Tel.: 089 642 27 56
Mobil: 0177 642 27 56

Dr. Irene Frey-Mann:
Tel.: 089 159 705 90