Notruftelefon: 01805 TIERRE 01805 84 3773* * 0,14 Euro/Min aus dem dt. Festnetz, max. 0,42 Euro/Min aus dem Mobilfunknetz

Mit Hunden sein … Das „Alleinsein“ lernen

von: Eva Windisch

Ratgeber Haustiere –

In meinen Telefonsprechstunden rufen mich viele Hundehalter an, weil ihre Hunde beim Alleinsein stundenlang bellen, heulen, jaulen, winseln, trotz Stubenreinheit ins Haus urinieren und koten oder gar Gegenstände zerstören.

Das ist keine Unerzogenheit, wie es oft interpretiert wird und erst recht kein Protestverhalten: Das ist Todesangst, und diese ist bitte immer ernst zu nehmen!

Hunde sind von uns Menschen so abhängig wie ein Welpe vom Muttertier. Hunde haben den emotionalen IQ eines ca. zweijährigen Kindes. Würden Sie ein zweijähriges Kind alleine lassen? Mit Sicherheit nicht, es würde nämlich verzweifelt weinen und nach seiner Mama schreien. Wir Hundebesitzer haben unseren Hunden gegenüber eine Elternfunktion: Wir regeln ihren Tagesablauf, wir füttern sie, wir bestimmen wann, wie oft, wohin und wie lange sie raus dürfen, und wann sie sich lösen dürfen. Bei keinem anderen Haustier ist dies so extrem. Hunde haben sich selbst domestiziert, also sich selbst dem Menschen angeschlossen, und wenn sie die Wahl hätten zwischen einem Artgenossen, der Freiheit und ihrem Menschen, dann fiele ihre Wahl immer auf ihren Menschen.

Bei keinem anderen Haustier wäre dies der Fall. Und es liegt nicht daran, dass wir sie füttern, wie viele meinen, denn dann wären Tierheimhunde ja überglücklich. Sie werden regelmäßig gefüttert, leben oft mit Kollegen zusammen und haben einen Gassigeher. Auch in den gut geführten Auslandstierschutzheimen werden die Hunde gefüttert. Was glauben Sie, warum die Hunde trotzdem so traurig aussehen? Richtig – sie brauchen einen Menschen. Eine Familie. Mama und Papa, um es mal ganz emotional auszudrücken, aber mit Sicherheit weder einen Rudelführer oder einen Futterautomaten.

Ab der Pubertät beginnt ein Welpe allmählich selbstständig zu werden. Die Zeit des sich Lösens von den Elterntieren beginnt beim Wolfsschnösel mit ca. zwei Jahren. Bei Hunden ist es früher, da sie eben sehr früh den Menschen als nähere Bezugsperson sehen, sofern sie mit Menschen aufgewachsen sind, was ja in der Regel immer der Fall ist. Auch wenn die Pubertät ca. ab dem 7. Lebensmonat beginnt. Das ist auch der Grund, warum man Hunde nicht zähmen muss oder besonders früh an eine neue Person gewöhnen muss.

Menschen sind grundsätzlich das Tollste für den Hund

Das Alleinesein ist daher für sie erst mal der Supergau. Allein zu sein bedeutet für einen Welpen verhungern, selber gefressen werden oder sterben. Das ist tief in ihnen verankert. Daher fangen Sie bitte nicht zu früh an, den Welpen ans allein sein zu gewöhnen. Er hat ohnehin gerade durch Sie seine Mutter und seine Geschwister für immer verloren. Wie gesagt: Erst ab der Pubertät sinkt kurzfristig die extrem starke Bindung zur Bezugsperson. Ich möchte hier keine Regel aufstellen, denn ich kenne Welpen, die sehr früh sehr selbstständig sind und im Gegensatz dazu Welpen, die wahre Muttersöhnchen sind, die an Frauchens Rockzipfel hängen aus lauter Angst verloren zu gehen. Jeder Hund ist ein Individuum. Gehen Sie dennoch behutsam an die Sache heran.

Anfangs wird der Welpe seinem Frauchen/Herrchen auf Schritt und Tritt folgen, das ist sein Überlebensinstinkt: Sie sind die Ersatzmama bzw. der Ersatzpapa. Fangen Sie subtil an: einfach mal die Badezimmertür kurz zu machen, wenn sie auf der Toilette sind, aber sprechen Sie von innen mit dem Hund, damit er hört, dass Sie da sind, auch wenn er Sie nicht sehen kann. Beruhigen Sie ihn, so dass er lernt, dass alles in Ordnung ist. Das Ganze können Sie langsam steigern. Verlassen Sie die Wohnung, schließen Sie die Tür, und verwenden Sie dabei einen Satz, den Sie immer wenn Sie gehen sagen, z.B.: „Ich komme gleich wieder, sei schön brav“. Lauschen Sie, ob Sie etwas hören. Sobald er bellt, weint, heult oder jammert, kommen Sie bitte sofort wieder rein und sagen: „Alles gut, ich bin schon wieder da“. Nehmen Sie seine Emotionen ernst!

Streichen Sie das Wort „Kontrollzwang“ in Bezug auf Hunde aus Ihrem Wortschatz. Hunde haben sich nicht dem Menschen angeschlossen, um ihn zu kontrollieren. Wozu auch? Sie brauchen uns und wollen bei uns sein. Hunde, die diesen angeblichen Kontrollzwang haben, haben einfach nur unsagbare Angst, plötzlich alleine zu sein. Unsichere Hunde haben dies häufig bzw. Hunde, die sehr früh Verluste erlitten haben, sei es durch zu frühes Alleinesein-Training oder zu frühes Absetzen vom Muttertier

Ein Hund, der beim Alleinesein weint, weil er Todesangst hat und nicht, weil er protestiert. Dazu hat die Natur den Lebewesen diese Laute gegeben. Ängste sind immer ernst zu nehmen, egal ob sie von einem Menschen oder einem Tier kommen. Und keine Sorge, der Hund wird durch Ihr sofortiges Zurückkommen nicht lernen, dass er nur weinen muss, und schon sind Sie wieder da, sondern er wird lernen: „Selbst wenn mein Mensch außer Sichtweite ist, ist er doch irgendwie für mich da und achtet auf mich“.

Und bitte schleichen Sie sich niemals heimlich aus dem Haus, wenn das Hundebaby gerade schläft. Wenn es aufwacht, und Sie sind wie vom Erdboden verschwunden, wird es tausend Tode sterben. Und genauso ziehen Sie sich einen angeblichen „Kontrollfreak“ heran, der gelernt hat: „Wenn ich die Augen zumache, dann bin ich für immer allein!“. Die Folge wird dann sein, dass Ihr Hund Ihnen auf Schritt und Tritt folgen wird, nie mehr zu seinen 20 Stunden Schlaf am Tag kommt, und in Folge des ständigen Schlafentzuges unter Dauerstress gerät. Im schlimmsten Fall haben Sie dann einen Hund, der nie mehr alleine sein kann und ständig unter Strom steht. Dann heißt es: „Der ist nicht genügend ausgelastet!“, und dann wird das arme Baby auch noch zu Marathonspaziergängen mitgenommen, die es aufgrund seiner Verlassensheitsängste auch noch mitmacht und vor lauter Stresshormonen auch noch aushält.

Sich einen Welpen zu holen ist der gleiche Fulltimejob wie ein Kind zu bekommen

Einen zweiten Hund als Gesellschaft dazu zu holen klappt meistens nicht. Es ist in der Regel dann nicht der Fall, dass der Zweithund dem Ersthund vermittelt, dass Alleinsein doch nicht so schlimm ist, sondern umgekehrt: Die Angst, die der panische Ersthund vermittelt, kommt beim Zweithund genauso an: Alleinsein ist scheinbar wirklich lebensgefährlich. In diesem Sinne – nehmen Sie sich Zeit für die paar Monate, in denen Ihr Hund/ Kind noch ein Baby ist. Sie legen damit einen Grundstein fürs Leben.

Mehr zum Thema unter:

www.mithundensein.de