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Schimmelpilzvergiftung – Wenn’s den eigenen Hund erwischt

Hündin Nela ging es nicht gut.

von: Sabrina Schneider
Tierärztin Tierrettung München e.V.

Ratgeber Haustiere –

Auch die eigenen Hunde kann es erwischen! Ich verbrachte einen schönen Morgen mit meinem Hund "Nela" im Stall, wo sie allerlei Sachen fraß. Giftköder sind dort keine ausgelegt, da die Stallbetreiberin selbst mehrere Hunde und Katzen hat. Daher machte ich mir zunächst keine großen Gedanken.

Drei Stunden später begann der Durchfall, dann zweimaliges Erbrechen auf dem Nachhauseweg. „Gut“, dachte ich, „jetzt ist es immerhin raus.“ Auf dem Weg in den 4. Stock begann Nela plötzlich zu schwanken, knallte gegen die Wand und fiel fast um. „Oh je, was ist denn jetzt los?“ Schnell ganz nach oben und die Vitalparameter prüfen. „Nela“ legte sich sofort hin, sehr untypisch für sie. Die Schleimhäute warne weiß, der Puls schwach und schnell, ihr Bauch angespannt. „Hier stimmt etwas gar nicht, ich glaube ich fahre zur Sicherheit in eine Tierklinik!“, beschloss ich.

Vitalparameter

Kurz zur Erklärung: Anhand der Vitalparameter (Schleimhautfarbe, Kapilläre Füllungszeit (KFZ), Pulsfrequenz und Pulsintensität) lässt sich der Herz-Kreislaufzustand beurteilen. Normalerweise sollte die Schleimhautfarbe blassrosa-rosa sein, die KFZ (beim Drücken auf das Zahnfleisch entfärbt es sich weiß. Beurteilt wird die Zeit bis es wieder rosa ist) ca. 1-2 Sekunden, der Puls kräftig und regelmäßig, in einer Frequenz der Tiergröße und Tierart angepasst (Katze > 140/min, kleiner Hund ca. 100-120/min, große Hunde ca. 60-100/min). Auch das Allgemeinbefinden spielt eine große Rolle und wird mit beurteilt (aufmerksam und ansprechbar sollte das Tier sein, wobei jeder Tierbesitzer seinen Hund am besten kennt).

Nela wich in allen Parametern von ihrer Norm ab, weshalb ich mich für einen Klinikbesuch entschied. Auf dem Weg bot ich ihr ein Stück Breze an, was sie als Labrador Retriever verweigerte. Das versetzte mich in noch höhere Alarmbereitschaft.

In der Klinik angekommen, verschlechterte sich ihr Zustand weiter. Nela war kaum mehr steh- und gehfähig. Es wurde sofort eine klinische Untersuchung durchgeführt (stark erhöhte Herzfrequenz, schwacher Puls, weiße Schleimhäute und vergrößerte Pupillen). Außerdem wurde ein Zugang in die Vene gelegt und sie bekam zur Stabilisierung des Kreislaufs Infusionen.

Trotz aller Bemühungen besserten sich die Vitalparameter und das Allgemeinbefinden nicht. Ein Röntgenbild des Bauchraumes zeigte einen hochgradig gefüllten Magen (zum Glück nicht mit Luft, was auf eine Magendrehung hindeuten würde, welche eine Operation nach sich ziehen würde). Aufgrund des Vorberichtes und der klinischen Symptome gingen wir von einer Vergiftung aus, vermutlich durch die Aufnahme verdorbener oder verschimmelter Substanzen.

Lebensmittelvergiftung

Bei einer Lebensmittelvergiftung können Mikroorganismus oder Schimmelpilze Toxine produzieren, welche dann die klinischen Symptome auslösen. Häufiger betroffene Lebensmittel sind zum Beispiel Eier, rohes Fleisch, Fisch, Konserven und Milchprodukte. Schimmelpilztoxine finden sich z.B. in Walnüssen, Silage, Schimmelkäse, etc. Im Vergleich zum Menschen sind bei unseren Tieren häufig schon geringere Mengen toxisch. Es kann zu einer Beeinträchtigung der Magen-Darm-Funktion, einem Endotoxin-Schock, einer Leber- oder Nierenschädigung, einer Stimulation des Brechzentrums, einer Erregung zentraler Neuronen oder einer Blockierung der neuromuskulären Übertragung kommen.

Damit sich die Toxine nicht weiter in „Nela`s“ Körper ausbreiten konnten und eine weitere Verschlechterung ihres Zustandes hervorrufen, wurde entschieden, dass eine Magenspülung in Narkose durchgeführt wird. Glücklicherweise durfte sie am Nachmittag unter guter Beobachtung und Kontrolle wieder mit nach Hause. Am nächsten Tag stand nochmal eine Blutkontrolle an. Die meisten Werte hatten sich glücklicherweise wieder stabilisiert.

Solche Vorfälle kommen leider immer wieder vor...

Ein paar Wochen später rief mich eine Patientenbesitzerin an, dass ihr Hund in der Nacht den Mülleimer geplündert habe. In diesem befanden sich Reste einer Gorgonzolasoße mit Walnüssen. Wir entschieden dann zusammen, dass wir den Hund medikamentös erbrechen lassen, um das Risiko einer möglichen Schimmelpilzvergiftung zu reduzieren. Zum Glück kam der Großteil des geklauten Essens wieder raus. Zur Sicherheit sollte die Besitzerin noch Aktivkohle verabreichen, welche die schon aufgenommenen Toxine binden soll. In diesem Fall konnte eine Vergiftung verhindert werden.

Besser einen Tierarzt kontaktieren

Falls sie die ungewollte Aufnahme einer dieser Substanzen bei ihrem Hund beobachtet haben, wenden sie sich an einem Tierarzt. In den ersten Stunden nach Aufnahme ist oft die einfachste Lösung ein Erbrechen auszulösen, hierfür muss sich das Tier aber noch bei vollem Bewusstsein befinden. Spätestens, wenn ihr Tier Symptome eine Vergiftung, ein reduziertes Allgemeinbefinden oder starke Abweichungen von den Vitalparametern zeigt, sollte sofort ein Tierarzt verständigt oder aufgesucht werden und eine entsprechende symptomatische Therapie begonnen werden. Eine Analyse des Erbrochenen oder der aufgenommenen Substanz sind ebenfalls möglich, um das genaue Toxin zu identifizieren. Problem dabei ist, dass diese Identifizierung leider einige Wochen dauert und der akuten notfallmedizinische Diagnostik und Therapie in diesem Moment nicht weiterhilft.

„Die Dosis macht das Gift“

Abschließend lässt sich aber sagen: „Die Dosis macht das Gift“, bedeutet, dass nicht jede kleinste Aufnahme einer ungewollten Substanz auch zu einer Vergiftung führen muss. Mein geliebter Labrador hat gefühlt jeden Tag beim Spazieren gehen irgendwo irgendetwas erwischt und es ging 6 Jahre gut. Diesmal hat sie leider etwas erwischt, was wirklich giftig oder verdorben war. Hier gibt es nur zu sagen, „Sie kennen ihr Tier am besten und wenn etwas nicht stimmt, stellen sie es lieber einmal zu viel als einmal zu wenig bei ihrem Tierarzt vor!“

 

Sabrina Schneider
Tierärztin Tierrettung München e.V.