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Ein Interview mit Prof. Dr. Henning Wiesner Vegan oder vegetarisch auch für Hund und Katz‘?

Prof. Dr. Henning Wiesner. Foto: © Tine Hellwig

von: Lea Grünberg aus Tierpost 02/2015

Ratgeber Haustiere –

Die TIERPOST sprach mit dem Präsidenten der aktion tiertierrettung münchen e.V. und Fütterungsexperten, Prof. Dr. Henning Wiesner, über gesunde Ernährung von Hund und Katz’.

Vegetarische und auch vegane Küche liegen im Trend. Viele Menschen führen ethischmoralische und gesundheitliche Gründe an, um ihren Verzicht auf Fleisch und tierische Produkte zu begründen. Wenn sie dann noch Haustiere besitzen, stellen sie daher auch gern die Kost ihrer vierbeinigen Lieblinge um. Die TIERPOST sprach mit dem Präsidenten der aktion tiertierrettung münchen e.V. und Fütterungsexperten, Prof. Dr. Henning Wiesner, über gesunde Ernährung von Hund und Katz’.

TIERPOST: Herr Prof. Dr. Wiesner, was ist grundsätzlich bei der Ernährung von Hunden und Katzen zu beachten?

Prof. Dr. Wiesner: Die Grundlage für eine richtige Ernährung erschließt sich sofort durch einen Blick auf das Gebiss. Wir haben es bei Hunden und Katzen mit einem typischen Fleischfresser-Gebiss zu tun, so wie wir es auch bei anderen Raubtierarten finden (Marder, Wölfe, Füchse, Löwen, Tiger, Leopard etc.). Was diesem Gebiss fehlt, sind eindeutig die breiten Backenzähne (Molaren), die zum Zerkleinern von Fleisch wenig geeignet sind, sondern den Allesfresser, zum Beispiel Mensch, und die Pflanzenfresser auszeichnen. Diese Molaren, also zu Deutsch: Mahlzähne, sind dazu geeignet, pflanzliche Fasern zu zerkleinern und fehlen im Gebiss aller Raubtiere.

TIERPOST: Kann denn ein Laie das überhaupt so einfach erkennen?

Prof. Dr. Wiesner: Schaut man einem Hund oder einer Katze beim Fressen eines Stückes Fleisch zu, dann sieht man gut, dass sie den Kopf schräg halten müssen, um mit den vierten Prämolaren des Oberkiefers und den ersten Molaren des Unterkiefers das Fleisch abzuschneiden oder Knochen abzukauen. Diese Anordnung der Zähne wird im Fachjargon nicht umsonst „Brechschere“ genannt, die Zähne selbst sind die sogenannten Reißzähne, mit denen sie das Fleisch nicht zerkauen können, sondern es in großen Stücken abreißen und dann sofort runterschlucken. Daraus lässt sich folgern, dass ein solches Raubtiergebiss zum Zerteilen von Pflanzenkost absolut ungeeignet ist.

TIERPOST: Gibt es noch andere Besonderheiten beim Fleischfresser?

Prof. Dr. Wiesner: Gehen wir weiter in der Anatomie, dann sehen wir, dass Fleischfresser einen wesentlich kürzeren Darm haben als Pflanzenfresser. Damit fehlen ihm auch die Bakterien, mit deren Hilfe Zellulose gespalten und somit zu verdaulichem Kohlenhydrat zerlegt wird. Der Fleischfresser ist daher auf leicht verdauliches tierisches Eiweiß angewiesen. Pflanzliche Eiweiße werden dagegen nicht so leicht aufgeschlossen und sind für Hund und Katz‘ schlecht verwertbar. Wer trotzdem meint, seine Tiere z.B. mit Erbsen oder Bohnen füttern zu müssen, muss diese dann zuvor lange kochen.

TIERPOST: Das klingt so, als wäre vegane oder vegetarische Kost ungesund für Hunde und Katzen?

Prof. Dr. Wiesner: Wenn man einem im Laufe der Evolution so entwickelten Raubtier-Verdauungstrakt reine Pflanzenkost zuführt, dann kann es nicht ausbleiben, dass hier schwere Verdauungsstörungen und mangelnde Aufnahme (Absorption) von Nährstoffen zu erwarten sind. Die Bandbreite kann hier von spontanen Durchfällen bis hin zu schweren langwierigen Erkrankungen reichen – letztlich sogar zum Tod führen. Bei Katzen kann der Mangel an tierischen Futtermitteln Taurinmangel auslösen, woraus Augenerkrankungen wie Retinopathie, Erblindung, aber auch Herzmuskelerweiterungen oder eine geschwächte Immunabwehr resultieren können. Bei jungen Katzen kann es zudem noch zu Wachstumsstörungen, zu Verkrümmung der Wirbelsäule und zu späteren Fortpflanzungsstörungen kommen. Die heutigen industriell hergestellten Fertigfutter sind dagegen im Protein-Kohlenhydrat-Verhältnis so ausgewogen und mit Vitaminen, Spurenelementen und dem richtigen Calcium- Phosphorgehalt versehen, dass sie für Hund und Katz’ optimal verträglich sind.

TIERPOST: Es gibt aber doch auch „Biologisches Artgerechtes Rohes Futter“, kurz BARFen genannt – wie ist denn das einzuschätzen?

Prof. Dr. Wiesner: Hinter dieser Fütterungsvariante steht der Wunsch der Besitzer, für ihre Tiere etwas ganz Besonderes aus rohen und frischen Zutaten zuzubereiten. Allerdings wird dies unter Fachleuten sehr kontrovers diskutiert, da man zum Beispiel bei der Fütterung nierenkranker Hunde mit dem Eiweißanteil vorsichtig umgehen muss (Spezialdiäten aus Büchsen!). Zum anderen kann der Calcium-Phosphor-Gehalt in solchen selbst zusammen gemischten Diäten leicht zu einem Mangel an Calcium und Vitamin D 3 führen. Die Folge davon sind Knochenerkrankungen (Osteodystrophia fibrosa), die sowohl beim jungen wie alten Hund auftreten können. Zudem gibt es rassebedingte Dispositionen, zum Beispiel bei Riesenschnauzern, die bei übermäßigem Protein-, Energie- und Calciumangebot in der Wachstumsgabe ebenfalls schwer erkranken können – an der hypertrophischen Dystrophie.

TIERPOST: Ein wenig Gemüse schadet demnach dann doch nicht.

Prof. Dr. Wiesner: Nein, ein bisschen Gemüse wird nicht schaden – je nach Größe des Tieres allerdings. Während bei einem Chihuahua 100 Gramm Gemüse eindeutig zu viel wären, würde dies eine Dogge wenig kümmern. Wichtiger ist aber für alle Rassen ein ausgewogenes Eiweiß- Kohlenhydratverhältnis. Kontrollieren Sie beim Gassigehen stets die Häuflein und überprüfen so die Fütterung. Weder Durchfall noch harter Knochenkot sind erwünscht. Dies gilt im selben Maß auch für Katzen. Frisst eine Katze nur Fleisch, dann tritt das sogenannte All-Meat-Syndrom auf: Calcium- und Jodmangel, weicher stinkender Kot, stumpfes Haarkleid und Knochenschäden. Also bitte lieber zu Fertigfutter greifen. Katzen sind bei überwiegender Leberfütterung auch noch anfällig für Vitamin A-Hypervitaminose, bei der es zu knöchernen Zubildungen in Form von Versteifungen der Hals- und Brustwirbelsäule kommt.

TIERPOST: Aber dann könnte man statt Fleisch doch auch mal Eier füttern?

Prof. Dr. Wiesner: Man sollte kein ungekochtes Eiklar verfüttern, da darin der Stoff Avidin enthalten ist, der im Darm das lebenswichtige Vitamin Biotin bindet. Ohne Biotin kann es unter anderem zu Hauterkrankungen kommen. Auffälligerweise sind 25 Prozent aller Hauterkrankungen bei Hunden und Katzen ernährungsbedingt. Eigelb kann aber übrigens ohne Probleme roh ins Futter einmischen.

TIERPOST: Was können Tierbesitzer tun, wenn ihr Liebling zu dick ist?

Prof. Dr. Wiesner: Bitte nicht hungern lassen, sondern auf Spezialdiäten umstellen. Dafür aber bitte zum Tierarzt gehen und sich bei der Fütterung beraten lassen – das gilt auch, wenn Hund und Katze ein stumpfes glanzloses Fell, Verdauungsstörungen und stinkende Durchfälle aufweisen und ein verschlechtertes Allgemeinbefinden zeigen.