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Das Kliniksterben in der Tiermedizin – Verschlechterung der tierärztlichen Notfallversorgung?

Tierrettung München
Glücklicherweise gibt es in München und Umgebung die Tierrettung München, die für Ihr Tier da ist. Foto: Wiedemann, Tierrettung München

von: Mathias Beyer
Tierarzt bei aktion tier Tierrettung München e.V.

Aktuelles –

Liebe Leser, die Bundestierärztekammer informiert jährlich in einer Statistik darüber, wie viele Praxen und Kliniken es bundesweit gibt. Zum Zeitpunkt des 31.12.2020 – die Statistik für 2021 ist noch nicht erhoben – waren bundesweit 104 Kliniken für Kleintiere zugelassen. 2015 im Jahr der Einführung des Mindestlohngesetzes waren es bundesweit noch 158 Kliniken. Das heißt, innerhalb von 5 Jahren wurden 54 Tierkliniken im Bundesgebiet geschlossen oder in Tiergesundheitszentren, Tierarztpraxen, Tageskliniken etc. umgewandelt.

Dem einen oder anderen mag dieser Sachverhalt bereits aufgefallen sein, wenngleich die Kliniken im Bereich München standhaft bleiben. Bereits im Oktober 2017 wies der Bund angestellter Tierärzte (BaT) darauf hin, dass ein „Tierkliniksterben“ stattfindet, im Juni 2018 berichtete das Medium „wir-sindTierarzt“ ebenfalls über diesen Prozess. Im Sommer 2021 warnte der Verband unabhängiger Kliniken (VuK) davor: „Wir stehen in Deutschland kurz vor dem Notdienst-Kollaps!“. Im November 2021 berief die Bayerische Landestierärztekammer einen Vortragsabend zum Thema Aufrechterhaltung des tierärztlichen Notdienstes in Bayern ein. Im Dezember 2021 startete die Bayerische Landestierärztekammer eine Umfrage für Tierärzte darüber, was sich ändern müsste, damit mehr Tierärzte den Beruf des amtlichen Tierarztes wählen, da innerhalb der nächsten 3-5 Jahre ca. 50% der amtlichen Tierärzte in Pension gingen.

Laut Stand vom 31.12.2020 gibt es in Bayern drei Tierkliniken weniger als noch ein Jahr zuvor.

Dies mag daran liegen, dass Bayern wirtschaftlich solide dasteht, schaut man aber in strukturärmere Bundesländer, stellt man fest, dass beispielsweise in Bremen oder Sachsen-Anhalt keine einzige Tierklinik laut Statistik vorhanden ist. Nicht irritieren lassen sollte man sich von Begriffen wie Tagesklinik, Tiergesundheitszentrum oder Fachzentrum für Tiermedizin. Mit dem Begriff „Tierklinik“ wird angegeben, dass 24 Stunden, sieben Tage die Woche an 365 Tagen im Jahr ein Tierarzt vor Ort ist. Das heißt: Hat Ihr Tier um Mitternacht einen ernstzunehmenden medizinischen Notfall, können Sie sich glücklich schätzen, dass Sie in München leben. Achtzig Kilometer weiter in Ingolstadt sieht es dagegen düster aus. Hier verweist der Tierärztliche Verband Oberbayern darauf, dass „in den Nachtstunden von 22:00 bis 07:30 Uhr kein tierärztlicher Notdienst eingerichtet ist“.

Eine erschreckende Tendenz ist absehbar.

Liebe Leser, es kommen schwere Zeiten und noch viel schwerere auf Ihre Haustiere zu!

Der Mangel an Tierärzten, das Arbeitszeitgesetz und nicht zuletzt das 2015 eingeführte Mindestlohngesetz führen dazu, dass sich innerhalb der nächsten Jahre die Situation dramatisch verschärfen wird.

Für Sie bedeutet das weiter entfernte Wege zu einer Tierklinik oder einem notdiensthabenden Tierarzt. Die Preise für tierärztliche Behandlungen werden massiv steigen, und Praxen und Tierkliniken werden in die Hände von Wirtschaftsunternehmen abgegeben. Längst haben Konzerne wie Nestlé und Mars erkannt, dass der tiermedizinische Sektor in Deutschland Brachland ist, mit welchem man unfassbare Gewinne erzielen kann. Seien Sie also dankbar und gutmütig zu Ihrem Tierarzt oder Ihrer Tierärztin, so lange er oder sie noch da ist oder Sie ihn/sie sich noch leisten können!

 

Mathias Beyer
Tierarzt bei aktion tier Tierrettung München e.V.

E-Mail:
tierarzt[at]tierrettungmuenchen.de