Dem sicheren Tod entkommen
Unglückliche Hühner finden an Ostern ein neues ZuhauseWar es gemeines Kalkül oder nur ein dummer Bubenstreich? Wie auch immer: Fast wäre diese Geschichte für zwei Hühner böse ausgegangen. Doch dann hatte sie – pünktlich zu Ostern – ein glückliches Ende genommen.
Von Lea Grünberg. Unbekannte hatten am Montag, 19. März, zwei kranke braune Legehennen (Rasse: Braunes Leghorn) in einen Jute-Sack gesteckt und ihn vor der Einfahrt zu der Autowaschanlage einer Shell-Tankstelle in der Wasserburger Landstraße platziert. Ganz offensichtlich lautete ihr Plan, die Hühner ganz unbemerkt vom nächsten einfahrenden Auto überfahren zu lassen.
Nicht gerechnet hatten sie aber offenbar mit der Aufmerksamkeit eines Kunden, der den Sack am Abend mit seinem zwar geschwächten, aber dennoch lebendigen Inhalt entdeckte, sofort bei der Tankstelle Meldung erstattete und die Tierrettung alarmieren ließ. Die nur wenig später eintreffende diensthabende Tierärztin, Dr. Birgit Schwarzmann, untersuchte die beiden Hühner und stellte bei ihnen einen extremen Befall mit Parasiten fest (zu erkennen an einer entzündungsbedingten übermäßigen Verhornung der Ständer, also der Beine der Tiere. Auslöser dafür sind Kalkbeinmilben. Zudem fanden sich unter dem Federkleid sogenannte Federlinge, worunter ebenfalls Parasiten zu verstehen sind.).
Eines der beiden Hühner litt auch unter starken Atembeschwerden, die auf einen bereits längeren Aufenthalt in dem Sack schließen lassen. Die Tierärztin behielt die beiden befreiten Hühner über Nacht bei sich im Büro von aktion tier. Unter ihrer Obhut besserten sich die Atembeschwerden des einen Huhns merklich. Zur weiteren Behandlung brachte sie beide Tiere am nächsten Morgen in die Vogelklinik der Ludwig-Maximilians-Universität. Ordnungsgemäß wurden die Hühner zunächst einem Vogelgrippe (=Influenza)- Schnelltest unterzogen. Nachdem sich dieser als unauffällig erwies, wurden die Tiere nach der Quarantäne in der Klinik gegen die Parasiten behandelt.
Der Leiter der Klinik für Vögel, Reptilien, Amphibien und Zierfische der LMU und damit auch Chef der Vogelklinik, Prof. Dr. Rüdiger Korbel, führt die Erkrankung der beiden Hühner auf schlechte Haltungsbedingungen zurück. Seiner Ansicht nach handelt es sich vermutlich um einen kleinen Bestand mit Freiland- oder Bodenhaltung, denn: „Bei ordnungsgemäßem Haltungsmanagement kommen derartige durch Ektoparasiten bedingte Krankheiten bei Wirtschaftsgeflügel nur sehr selten vor.“ Möglicherweise habe sich der Besitzer auch die Behandlungskosten und deren Folgen ersparen wollen, sagt er: „Hühner gelten als lebensmittelliefernde Tiere. Und der Einsatz von antiparasitisch wirkenden Mitteln ist bei lebensmittelliefernden Tieren nicht zulässig. Das heißt: Nach einer Behandlung gegen Parasiten sind sie wertlos, denn ihre Eier dürfen nicht mehr verzehrt und damit nicht mehr in den Lebensmittelkreislauf eingebracht werden.“ Nach zwei Wochen Behandlung in Korbels Klinik wurden die beiden Hühner am Dienstag, 3. April, im Tierheim in Riem untergebracht und haben nun dort ein sicheres Zuhause gefunden.
Die Vizepräsidentin der aktion tier-tierrettung münchen e.V., Rechtsanwältin und Tierschutzbeauftragte der CSU im Stadtrat, Dr. Evelyne Menges: „Es ist entsetzlich, wie viele Tiere von Menschen ausgesetzt werden, denen offensichtlich nicht bewusst ist, dass sie damit gegen das Tierschutzgesetz verstoßen. Viele Tiere haben nicht so ein Glück wie unsere beiden Hühner, die nur noch leben, weil ein aufmerksamer Kunde an der Waschstraße sie entdeckt hat. Ihm gebührt unser ganz besonderer Dank!“