Rettungsaktion für Schwan legt S-Bahn Verkehr lahm
An einem eisigen Winternachmittag (bei -10°C) wurde ich von der Polizei zur medizinischen Versorgung eines schwer verletzten Schwanes gerufen, der von Hunden gebissen und wohl schwer verletzt worden war.
Von Dr. Sylvia Haghayegh. In der Anfahrtsbeschreibung nannte man mir die Paul-Gerhardt-Allee und die Frauendorferstraße im Stadtteil Obermenzing, von dort solle ich bis zur S-Bahn-Brücke vorfahren, Polizei und Feuerwehrfahrzeuge wären schon vor Ort.
Der Einsatzort befand sich in einem Parkgebiet direkt am Nymphenburger Kanal. Der Schwan war unter einer Brücke, über diese die S-2 verkehrt, ganz in der Nähe der S-Bahnhaltestelle Obermenzing. Vor Ort empfingen mich zwei Männer der Berufsfeuerwehr München. Sie schilderten mir, dass das schwer verletzte Tier unter die S-Bahnbrücke geflüchtet sei und dessen Bergung sich als sehr schwierig erwies, da dieser Bereich sehr schlecht zugänglich sei. Um mir ein Bild von den Verletzungen des Tieres zu machen, fragte ich nach dem Ablauf der Geschehnisse. Sie erklärten mir, dass mehrere Hunde über die Bahngleise gesprungen wären und so gemeinsam diesen armen Schwan angefallen hätten. Um die Hunde von ihren Beißattacken abzubringen, wären ein bis zwei Personen den Hunden über die S-Bahngleise gefolgt. Der S-Bahnverkehr wurde daraufhin gestoppt, bis alle Hunde wieder eingefangen und angeleint waren und die Personen sich aus dem Gleisbereich zurückgezogen hatten. Um den Hunden zu entkommen, hatte sich der Schwan mühsam und mit letzter Kraft auf den halb eingefrorenen Kanal unter die S-Bahnbrücke geschleppt. Das arme Tier musste schwer verletzt sein, da es an mehreren Stellen seines Gefieders blutig sei und sich jetzt nicht mehr von der Stelle rühre.
Die Schwierigkeit bei der Rettung war, dass es unterhalb der Brücke keinen Sims oder Wandvorsprung gab auf dem man sich dem Tier hätte nähern können. Der Kanal war zwar zu diesem Zeitpunkt gefroren, jedoch war die Eisschicht unterhalb der Brücke nicht sehr stabil.
Die Männer der Berufsfeuerwehr München hatten sich jedoch die Rettung dieses schwer verletzten Tieres zur Aufgabe gemacht, ohne sich von den diversen Schwierigkeiten abhalten zu lassen.
Die Bergung ging folgendermaßen vonstatten: Einige Feuerwehrmänner und die Polizei waren auf der Seite der Brücke, die im Nymphenburger Park liegt, auf der Seite der Schlossmauer. Die anderen Feuerwehrmänner (und ich) befanden sich auf der Straßenseite der S-Bahnbrücke an der der Paul- Gerhardt-Allee. Per Funk verständigten sich die Feuerwehrmänner. Vorsichtig gingen sie auf den vereisten Kanal und spannten ein Netz von der Brücke, um dem Schwan bei einem eventuellen Fluchtversuch den Weg abzusperren. Der Schwan bewegte sich jedoch nicht. Dem schwer verletzten Tier konnte sich schließlich ein Feuerwehrmann, ausgestattet mit einem Neopren- Taucheranzug und bäuchlings über das Eis gleitend, nähern. Ständig bestand die Gefahr, dass das Eis einbricht und der Feuerwehrmann ins eiskalte Wasser fällt. Vorsichtig schob er sich an den Schwan heran. Das arme Tier war so entkräftet, dass es sich ohne Gegenwehr einfangen und aufnehmen ließ. Es hatte fast den Anschein als wäre es nach solch einer Beißattacke heil froh, in Menschennähe und Sicherheit zu sein.
Sofort nahm ich den schwer verletzten Patienten entgegen. Vor Ort untersuchte ich ihn noch und machte die Erstversorgung mit Antibiotikum, Schmerzmittel und Infusionen. Am darauffolgenden Tag brachte ich ihn dann in die Geflügelklinik nach Oberschleißheim, wo er fachmännisch versorgt wurde. Nach einigen Tagen erfuhr ich, dass er den Umständen entsprechend stabil sei und wenn keine weiteren Komplikationen auftreten, eine komplette Heilung zu erwarten sei. Insgesamt war er zehn Tage in der Geflügelklinik in stationärer Behandlung und konnte dann wieder in die Freiheit entlassen werden. Wie ich später von der Polizei erfuhr, war hier eine Spaziergängerin mit mehreren nicht angeleinten Hunden unterwegs.
Dass Schwäne Hundebissverletzungen überleben ist keinesfalls selbstverständlich, sondern eher die Ausnahme. Wir bei der aktion tier-tierrettung münchen e.V. mussten schon mehrmals Tiere erlösen, die infolge von Beißattacken kurz vor dem Verenden waren. Überlebt hat dieser Glückspilz sicherlich nur, weil er täglich in der Geflügelklinik nachbehandelt und versorgt wurde. Eine einmalige Behandlung wäre hier mit Sicherheit nicht ausreichend gewesen. Solche stationären Aufenthalte sind mit hohen Kosten verbunden und fordern ein hohes Maß an personellem Engagement.
Natürlich sollen auch Spaziergänger mit ihren Hunden Freude an der Natur haben. Doch Hunde, die frei laufen, sollten zumindest vom Halter abrufbar sein, sodass andere Tiere nicht in Gefahr kommen. In diesem Fall wäre es wohl sinnvoller gewesen, die Hunde an der Leine zu belassen.
TZ vom 14. Februar 2012