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Sperberweibchen mit Anflugtrauma

Sperberweibchen mit Anflugtrauma
Das Sperberweibchen war gegen eine Glasscheibe geflogen.

von: Franziska Baur

Rettungseinsätze –

Anfang Januar brachte ein besorgter Tierschützer aus Zamdorf ein apathisches Sperberweibchen in einem großen Pappkarton zu uns. Es sei gegen eine Glasscheibe geprallt und hätte dann nur noch „völlig benebelt“ dagesessen.

Vorsichtige Annäherungsversuche ließ der Greifvogel über sich ergehen, und auch gegen ein Einfangen wehrte das normalerweise sehr scheue Tier sich nicht.

Vögel nehmen ihre Umgebung anders als Menschen wahr: Transparente und reflektierende Glasflächen sind für sie unsichtbar und werden nicht als Hindernis erkannt. Untersuchungen zufolge stellen demnach Glasscheiben – nach der Lebensraumzerstörung und dem Verkehr – die häufigste menschengemachte Todesursache bei wild lebenden Vögeln in Europa dar.

Das Sperberweibchen ließ sich von mir ohne große Einwände erstuntersuchen. Ich konnte keine äußeren Verletzungen, Frakturen oder schwere neurologische Auffälligkeiten erkennen. Beide Flügel erschienen funktionstüchtig, und die Greiffähigkeit der Ständer war zwar schwach, aber vorhanden. Das Tier war lediglich leicht apathisch und schwach, und somit ein Fall für die Vogelklinik in Oberschleißheim. Noch am selben Tag wurde der Vogel dorthin gebracht und durfte sich unter fachmännischer Aufsicht erholen, mit dem Ziel, wieder in seiner gewohnten Umgebung ausgewildert zu werden. Mittlerweile genießt der Sperber vermutlich wieder seine Freiheit und vermeidet hoffentlich die „unsichtbare Gefahr“.

Diese Wiederauswilderung setzt ein hohes Maß an Wissen über die Lebensweise, den Umgang und die Haltung dieser Tiere voraus, weshalb Kliniken häufig mit Falknern zusammenarbeiten. Die Auswilderung in der Natur ist eben nur dann erfolgversprechend, wenn Arten wie der Sperber auf ihr Leben in Freiheit vorbereitet werden, wo sie darauf angewiesen sind, selbstständig Beute zu greifen. Die auf die Aufnahme von verletzten Greifvögeln spezialisierten Auffangstationen, die oft im Ehrenamt von Falknern und Jägern (wie z.B. Willi Holzer in Freising) betrieben werden, pflegen mehrere Hundert Patienten pro Jahr und leisten mit ihrer professionellen Arbeit einen wertvollen Beitrag zum Erhalt der Artenvielfalt in Deutschland.

Falls Sie nun auch einmal Zeuge einer Kollision werden, erklären wir Ihnen im Folgenden die Erste Hilfe Maßnahmen, welche Sie selbst leisten können: Wenn ein Vogel gegen eine Scheibe fliegt, dann hört man im Zweifelsfall zunächst ein lautes Aufprallgeräusch. Äußerlich unverletzte Vögel sitzen oder liegen zunächst benommen auf dem Boden, stehen unter Schock, atmen schwer und flüchten nicht – wie auch unser Sperber. Meistens handelt es sich hier um eine Gehirnerschütterung. Dieser reglose Zustand kann 1-2 Stunden anhalten, ehe der Vogel sich „berappelt“ und dann (oft recht plötzlich) wieder davon fliegt. Legen Sie diese Vögel in solch einem Falle vorsichtig in einen Pappkarton mit Luftlöchern und rufen Sie bei der Hotline der Tierrettung (Tel.: 01805 843 773 (0,14 EUR/Min. aus dem dt. Festnetz. Max. 0,42 EUR/ Min.aus dem Mobilfunknetz)) an.

Was unbedingt zu vermeiden ist:

  • Versuchen Sie nicht, einem regungslosen Vogel etwas einzuflößen. Er kann daran ersticken und braucht in dieser Situation weder Wasser noch Nahrung, sondern Ruhe.
  • Besonders wenn der Vogel sich im liegenden Zustand befindet: Berühren und drehen Sie den Vogel nicht unnötig. Jede Fremdbewegung kann bestehende Verletzungen verstärken.

Was zu tun ist:

  • Grundsätzlich können Sie das Tier mit bloßen Händen anfassen, denn Vögel haben keinen ausgeprägten Geruchssinn.
  • Befindet sich der Vogel an einem geschützten Ort (z.B. Balkon) und ist es warm genug, dann lassen Sie ihn einfach in Ruhe und warten ab. Lassen Sie die Rollläden herunter, oder decken Sie die Fenster anderweitig ab, um eine erneute Kollision zu vermeiden.
  • Befindet sich der Vogel an einem gefährlichen Ort (Bürgersteig, Garten mit streunenden Katzen usw.), dann legen Sie ihn vorsichtig in einen Pappkarton (keinen Käfig) mit Luftlöchern, und stellen ihn in einen dunklen Raum.
  • Zum Anheben eines liegenden Vogels können Sie ein Blatt Papier o.Ä. verwenden, auf das Sie ihn schieben, um unnötige Genickbewegungen zu vermeiden.
  • Nach ca. zwei Stunden tragen Sie den Karton ins Freie und öffnen ihn.
  • Lebt der Vogel noch, hat sich aber nicht erholt und startet nicht, rufen Sie die Tierrettung.

Um unsere Vogelwelt darin zu unterstützen, haben wir im Folgenden eine Reihe von Tipps für Sie, wie man solche Kollisionen verhindern kann: Leider sind die oft anzutreffenden Greifvogelsilhouetten weitgehend wirkungslos, da Vögel in solch starren Aufklebern offenbar keine potenziellen Fressfeinde erkennen. Die Flecken werden unabhängig vom Motiv nur als kleinflächiges Hindernis wahrgenommen, und die Vögel fliegen dann daneben gegen die Scheibe.

Einfache Maßnahmen:

  • Nistkästen, Futterhäuschen usw. abseits von Glasscheiben anbringen
  • Fliegengitter außen anbringen
  • Markisen und Sonnenschirme anbringen, um spiegelnde Fenster zu beschatten.
  • Fenster seltener putzen
  • Fensterdekorationen auf der Fensteraußenseite anbringenGardinen, Jalousien, Rollos verwenden
  • Senkrecht angeordnete Streifen, mindestens zwei Zentimeter breit und mit maximal zehn Zentimeter Abstand
  • Spezialglas, bei dem der für Vögel sichtbare UV-Bereich genutzt wird

Erfahrungen haben gezeigt, dass ein Einsprühen der Aufkleber mit wasserunlöslichem Sonnenschutzmittel, das einen hohen Lichtschutzfaktor aufweist, die Sichtbarkeit der Silhouetten und damit deren Wirkung stark erhöht. Durch das Sonnenschutzmittel werden kurzwellige Sonnenstrahlen reflektiert, die von Vögeln sehr gut wahrgenommen werden.

Mit unseren Tipps tragen wir hoffentlich zu einer Reduktion solcher Unfälle bzw. zu einem richtigen Umgang mit Kollisionsopfern bei und stehen Ihnen bei weiteren Fragen gerne zur Verfügung.