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Dramatisches Artensterben – Wo sind unsere Vögel?

Dreizehenmöwe
Die Dreizehenmöwe ist gefährdet, weil sie unter Nahrungsknappheit leidet. Foto: Hans Hillewaert

von: Alexandra Pfitzmann
Redaktion Tierpost

Ratgeber Wildtiere –

Eine aktuelle Auswertung des Vogelbestands in Europa zwischen den Jahren 1980 und 2016 hat erschreckende Ergebnisse hervorgebracht. Es sind Millionen von Vögeln einfach von der Bildfläche verschwunden – ca. 56 %. Und darunter sind keine außergewöhnlichen Tiere, sondern gut bekannte Vögel wie Feldlerche, Kiebitz oder Rebhuhn. In erster Linie ist die Vogelwelt im ländlichen Raum betroffen.

Es gibt im Großen und Ganzen vier wichtige Gründe für das dramatische Vogelsterben.

  • Der Lebensraum für Vögel wird immer kleiner.
  • Es besteht ein immer größerer Nahrungsmangel durch weniger Insekten.
  • Der höhere Einsatz von Pestiziden in der Landwirtschaft.
  • Veränderter Lebensraum durch den Klimawandel.

Betrachtet man den Lebenskreislauf der Vögel, wird schnell klar, dass ihr Lebensraum immer kleiner wird oder nicht mehr bewohnbar ist. Es gibt immer weniger Plätze, in denen Vögel in Ruhe und vor Fressfeinden geschützt brüten können. Viele Vogelarten brauchen Plätze auf Feldern und Wiesen. Hier wird es durch die Ausbreitung der Landwirtschaft eng für die Tiere. Auch die permanente Wegnahme von Totholz oder Hecken, das für viele Vogelarten (und natürlich auch andere Tiere) ein gutes Versteck darstellt, verhindert eine mögliche Brutstätte.

Ohne Insekten – keine Vögel

Wer früher über eine Sommerwiese gelaufen ist, hat es schnell gehört: das sympathische Summen und Schwirren der vielen Insekten wie Schmetterlinge, Bienen oder Hummeln. Es flatterte und sauste, und auch Vogelgezwitscher lag in der Luft. Heute ist es wesentlich stiller geworden. Wenn auch immer mehr Hecken oder Stauden abgetragen werden, wenn immer mehr chemische Dünger zum Einsatz kommen, dann wird es immer weniger Insekten geben. Nicht nur, dass auch wir Menschen von den Bestäubungskünsten der Bienen und Hummeln abhängig sind, viele weitere Insekten sind Hauptbestandteil der Vogelnahrung.

Der Pestizideinsatz in der Landwirtschaft trägt nicht nur dazu bei, dass die Insekten verschwinden (und damit auch die Vögel) – sie stellen auch eine direkte gesundheitliche Gefahr für die Vogelwelt dar. Schließlich nehmen Vögel Nahrung und Wasser zu sich, das mit Agrar-Chemie kontaminiert ist.

Arktische Wattvögel sind in erster Linie durch den Rückgang ihrer nordischen Lebensräume betroffen, was dem Klimawandel zuzuschreiben ist. Meeresvögel wie die Dreizehenmöwe, der Papageitaucher oder Sturmtaucher hingegen gehen im Bestand zurück, weil die Beutefischbestände schrumpfen.

Auch die Jagd lässt Vogelarten verschwinden.

Nicht zu vergessen ist ein Bestandsrückgang von Vögeln durch die Jagd. Entenarten wie zum Beispiel die Spießoder Tafelente werden durch eine unkontrollierte Jagd (und auch durch die Zerstörung von Feuchtgebieten) in ihrem Bestand dezimiert. In Italien und Malta werden noch immer Zug- und auch Singvögel aufgrund veralteter Traditionen illegal und gejagt oder brutal gefangen und gegessen. Die Vögel werden hierbei in der Regel geschossen oder mit Netzen, Bogenfallen oder Leimruten gefangen, worin sie häufig verenden. So steht in einigen Regionen Italiens das Rotkehlchen auf einigen Speisekarten von Restaurants, versteckt bezeichnet als „Spiedo“ (für Spieß). Die Vögel werden am Spieß gegrillt und mit Maisbrei (Polenta) serviert, „Polenta uccelli“ genannt.

Die aktuelle Europäische Rote Liste der Vögel 2021

Insgesamt ist leider festzustellen, dass die Gesamtzahl der bedrohten Vogelarten ansteigt. Ca. 110 von 544 Arten werden zurzeit als bedroht eingestuft. In Deutschland leben rund 300 Vogelarten. Darunter etwa die Bekassine, der Mauersegler und die Wachtel, die zum ersten Mal auf der Roten Liste stehen. 43 Prozent der 259 regelmäßig in Deutschland brütenden heimischen Vogelarten mussten in die neue Rote Liste aufgenommen werden. Als vollkommen ausgestorben gilt der gänsegroße Waldrapp, der schon im 17. Jahrhundert aufgrund intensiver Bejagung in Mitteleuropa nicht mehr anzutreffen, aber noch bis 2017 in Marokko und in der Türkei beheimatet war.

Ein kleiner Wermutstropfen ist, dass sich auch einige Vogelarten in ihrem Bestand aufgrund von intensiven Schutzmaßnahmen wieder erholt haben, wie beim Rotmilan, Eisvogel oder dem Tordalk festgestellt wurde.

Es fehlen leider noch immer erforderliche Naturschutzmaßnahmen, die großflächig in Europa angewandt werden, um die Vogelbestände zu schützen. Die zunehmende Umweltverschmutzung, eine wachsende Flächenversiegelung und die illegale Jagd sind neben der hohen Auswirkungen des Klimawandels totbringende Bedrohungen für unsere Vogelwelt.

Der European Bird Census Council ist eine 1992 gegründete Gesellschaft unter Niederländischem Recht, in der vogelkundliche Experten europaweite Monitoring Programme und Atlasprojekte ausarbeiten und damit den Schutz europäischer Vogelpopulationen fördern. Mehr Informationen (in englischer Sprache) unter www.ebcc.info.

 

Alexandra Pfitzmann
Redaktion Tierpost